Psychosomatik

Psychosomatik

Auch wenn Körper und Psyche oft von verschiedenen Therapeuten behandelt werden:
In ihrer Wechselwirkung und in ihren Reaktionen auf die Umwelt gehören sie untrennbar zusammen. Ein Weg zur Heilung eröffnet sich, wenn es gelingt, mich selbst als heil = ganz zu erleben, in all der Unvollkommenheit meines Daseins.

Mit der Integration von medizinischen/therapeutischen Diagnosen und Behandlungskonzepten in das eigene Empfinden und Erleben, den eigenen Lebensalltag, mit der Einordnung in das gesamte eigene Sein wird der Mensch oft alleine gelassen. Er kann sich dann nur der Autorität eines anderen unterwerfen und verliert damit ein Stück Selbstbestimmung, seinen inneren roten Faden der Selbstheilung, der eine wesentliche Kraftquelle darstellt.

In der Psychosomatik werden Körper und Psyche wohl berücksichtigt in ihrer Wechselwirkung. Zugleich ist der Begriff zusammengesetzt aus zwei Begriffen, die in unserem erlernten Denken verankert sind als voneinander getrennt. Und es fehlt aus der Dreieinheit der Geist.
Noch gar nicht berücksichtigt ist der Austausch mit der Umgebung, in der wir leben und wachsen: Die Begegnung mit dem Anderen, die Einordnung in und Anpassung an die Lebenswelt, die Fähigkeit zu selbstbestimmtem Handeln, der schöpferische Prozess der individuellen Entfaltung.

Was ich bisher beschrieben habe, entstammt nicht der Wirklichkeit, wie ich sie mit meinen Sinnen erfahren kann, sondern einer Vorstellungswelt, die wir Menschen erschaffen, weiterentwickelt und weitergegeben haben von Generation zu Generation.

Selbst-Erfahrung: Das Innere Kino

In der Gestalttherapie spielt „Awareness“, das eigene Wahrnehmungsvermögen, eine zentrale Rolle. Dabei geht es um drei Zonen der Wahrnehmung, die unserem Bewusstsein zugänglich wird, aus der die Vorstellung von uns selbst und der Welt Gestalt annimmt.

Zuerst denke ich da an die Wahrnehmung der äußeren Welt, die Sinneseindrücke aus dem Sehen, Hören, Schmecken, Riechen und Tasten, die mir in unterschiedlichem Maß bewusst werden.
Bei meinem Spaziergang am Fluss liebe ich es, das Rauschen des Wassers zu hören, die erfrischende Luft mit ihrem Duft nach Gras und Feuchtigkeit einzuatmen und meinen Blick auszudehnen in die Weite der Landschaft. Es dauert oft eine Weile, bis sich meine Gedanken beruhigen und ich ganz eintauchen kann in dieses Erleben.

Was dabei immer mitschwingt, ist die innere Wahrnehmung meines Körpers, der sich zunächst etwas steif anfühlt und dann zunehmend beweglicher wird. Das Gehen verläuft automatisch, das erledigt mein Körper von selbst, sobald ich mich dazu entschlossen habe. Oder ich kann dem nachspüren, wie die Füße mit dem Boden Kontakt aufnehmen, wie der Impuls des Auftretens sich durch die Wirbelsäule nach oben fortsetzt, je mehr sich mein Körper aufrichtet, und wie Spannungen sich nach und nach auflösen.

Da ich jetzt, beim Schreiben, im Zimmer am Laptop sitze, stammt diese Beschreibung offensichtlich nicht aus der Wahrnehmung meiner gegenwärtigen Realität, sondern aus der Wahrnehmung meiner Vorstellungswelt: der Erinnerung an den Spaziergang mit all den Gedanken, Gefühlen und Empfindungen, die damit verbunden waren oder die ich jetzt hinzugefügt habe. Und aus dem Bemühen, die inneren Bilder meines subjektiven Erlebens möglichst anschaulich mithilfe der Sprache nachvollziehbar werden zu lassen.

Welcher Ausschnitt aus diesen ineinander verwobenen Wahrnehmungswelten in mein Bewusstsein gelangt, hängt davon ab, worauf der Scheinwerfer meiner Aufmerksamkeit gerichtet ist.

Der gegenwärtigen Wirklichkeit kann ich nur über die äußeren und inneren Sinne begegnen, während sich in der subjektiven Vorstellungswelt das bunte Volk der Gedanken tummelt, die allesamt aus vergangenen Erlebnissen stammen oder aus Zukunftsphantasien.

Was ich wahrnehme, ist kein Abbild der äußeren und inneren Welt, es ist das Ergebnis eines Prozesses, aus dem über den internen Code des Nervensystems Körpergefühle, Bilder und Klänge, Gedanken und Erinnerungen in meinem Bewusstsein Gestalt annehmen, begleitet von Emotionen und Gefühlen.

Eine neue innere Landkarte

Auch wenn Gefühle und Empfindungen gemeinhin der Psyche zugeordnet werden, wurzeln sie physiologisch im Körper als lebenswichtiges Bewertungssystem. Erst durch sie werden
die Wahrnehmungsbilder fühlbar, erlebbar. Auf ihnen beruht zugleich die innere Werteskala mit ihren zwei grundlegenden Qualitäten: Lust und Schmerz.

Diese Erkenntnis aus der Neurobiologie, wie Antonio Damasio, mein Lieblings-Hirnforscher sie beschreibt, stellt eine Vorstellung vom Menschen buchstäblich vom Kopf auf die Füße. Vermeintliche Widersprüche zwischen Kopf, Herz und Bauch lösen sich dabei auf.

Was mich daran besonders fasziniert: Ich brauche dieses wissenschaftliche Modell aus der Neurobiologie nicht zu glauben. Denn ich kann es in Einklang bringen mit meinen eigenen Wahrnehmungen und anhand meiner subjektiv erlebten Wirklichkeit überprüfen.

Bild: Duftbild Angelikawurzel