Denken, Sprache und geistige Evolution
Unser schöpferisches Erbe für gegenwärtiges Handeln
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Im
Englischen gibt es den Begriff „mind“,
der alle geistigen Prozesse umfasst, Gedanken, Gefühle und
Absichten, Erinnerung, Meinung und Wille, Lust und Sorge, bewusst
oder unbewusst.
Im Deutschen existiert dafür keine unmittelbare
Entsprechung.
Seit
Jahren schreibe ich auf, was mich gerade beschäftigt – meistens am Morgen
beim ersten Kaffee, im Nachklang der nächtlichen Traumbilder. Dabei
bemühe ich mich darum, meine Gedanken und Gefühle möglichst genau
so wieder zu geben, wie ich sie in mir wahrnehme.
Das ist, als
würde ich an mich selbst schreiben und als Antwort neue Gedanken
erhalten, die ich dann wieder aufschreiben kann.
Ich
nenne das: Die Worte – meine eigenen Worte – zum Leben
erwecken.
Es ist wie ein Hineinhören in mich selbst, an dem
auch der Körper beteiligt ist, bis dann der passende sprachliche
Ausdruck gefunden ist.
Dabei ist mir bewusst, dass ich nur für mich selbst schreibe und andere diese erste „Übersetzung“ meiner Gedanken in Sprache nur bruchstückhaft nachvollziehen könnten. Das gilt manchmal auch dann noch, wenn ich mich anderen mitteilen will. Denn die Gedanken und Vorstellungen, die Gestalt annehmen in meinem Bewusstsein, fügen sich zunächst nur für mich selbst zu einem beständig sich wandelnden und doch sinnvollen Ganzen zusammen.
Auch
wenn Denken und Sprache einander wechselseitig beflügeln und
bestimmten inneren Gesetzmäßigkeiten folgen, wie sie sich im
Verlauf der Evolution des Menschen herausgebildet haben,
bleibt die Vorstellungswelt doch im
Bereich des Subjektiven, der von außen nicht zugänglich
ist.
Deshalb kann es mir
nie vollständig gelingen, sie über die Sprache zum Ausdruck zu
bringen, besonders dann nicht, wenn es um Erkenntnisse geht, die der
schöpferischen Fähigkeit meines
Geistes entspringen.
Geistige Evolution
Erste Hinweise auf sprachliche Kommunikation zwischen den Urahnen des modernen Menschen stammen aus der Steinzeit, die vor 2,5 Millionen Jahren begann. Als die ersten Höhlenmalereien vor etwa 40.000 Jahren geschaffen wurden, dürften bereits einige verschiedene Sprachen existiert haben.
Mit der Sprache bildet sich zugleich eine gemeinsame innere Landkarte, aus der in der Folge Mythen entstehen, Geschichten, die mündlich weitergegeben werden und von einer kosmischen Ordnung erzählen, in der alle sich als eingebunden erleben können. Damit wird ein Gefühl der Gemeinschaft vermittelt und die Angst vor dem Unbekannten gelindert.
All das lässt sich, bis zur Erfindung der ersten Schriften vor etwa 7000 Jahren, nur indirekt über Hinweise aus archäologischen Funden erschließen und über die zivilisatorischen Errungenschaften menschlicher Gemeinschaften, die erst ermöglicht wurden durch Austausch und Zusammenarbeit, durch Weitergabe des erworbenen Wissens.
Faszinierende Erkenntnisse der Archäologie aus den letzten 20 Jahren belegen, dass sich der geistige Entwicklungsprozess des homo sapiens über hunderttausende Jahre hinzieht und einhergeht mit kontinuierlichen Veränderungen der feinen Strukturen an Schädel und Hirn, bis die heute verbreitete Form erreicht wurde.
Was mich an der geistigen Evolution des Menschen besonders interessiert, ist das schöpferische Erbe, das sie der menschlichen Gemeinschaft bisher hinterlassen hat und das weiter wächst, mit zunehmender Beschleunigung. Damit meine ich nicht nur die wissenschaftlich-technischen Errungenschaften, die unser Zusammenleben geprägt und verändert haben, sondern auch die Fähigkeit zu individueller Entfaltung, die geistigen Fähigkeiten jedes einzelnen Menschen, denn wir alle tragen dieses Erbe in uns.
Damit
bin ich bei der Intuition
gelandet, die gerne als Bauchgefühl bezeichnet wird. Auch wenn sie
im Körper wurzelt, wird diese Gabe damit weit unterschätzt.
Das
Wort ist entlehnt aus dem Lateinischen und bedeutet ursprünglich
„das Erscheinen des Bildes (im Spiegel)“. Der Psychiater C.G.
Jung betrachtet die Intuition als eine der vier Grundfunktionen der
menschlichen Psyche – neben (Sinnes-)Empfindung, Denken und Fühlen
-, als Wahrnehmung aus dem Unbewussten, die blitzartig aufleuchtet,
ein Gesamtbild vermittelt und ein Gefühl der Gewissheit verleiht.
Intuition wird gerne verknüpft mit einem mystischen oder mythologischen Denken, dessen Ergebnis ich nur glauben kann, weil es sich der rationalen Erklärung entzieht. Dorthin können wir nicht mehr zurück, seit wir vom Baum der Erkenntnis gegessen haben und der Versuchung erlegen sind, die Welt nach unseren Vorstellungen zu gestalten. Der Gott, der uns erlösen könnte, wohnt jetzt in uns selbst.
Dabei
sieht es so aus, als würde im Unbewussten ein selbstverständlich
wachsendes Wissen schlummern, das wir für gegenwärtiges Handeln
erwecken können, indem wir uns der eigenen inneren Geschichte in
ihrer Gesamtheit bewusst werden und daraus eine Erzählung schöpfen,
die nicht mehr die vergangenen Mühen fortschreibt sondern deren
Früchte erstrahlen lässt in neuem Licht.
Bild:
Duftbild Sandelholz
© Margarita Egghart 2023