Glückliche Faszien

Glückliche Faszien

Faszien

sind ein in sich schwingendes Netzwerk aus elastischem Bindegewebe, das in mehreren Schichten innere Organe, Muskeln und Knochen umhüllt und verbindet, den Körper in Form hält, die Gewebe mit Wasser und Nahrung versorgt, die Kraft bei allen Bewegungen überträgt und über den Körpersinn die Bewegungskoordination und die Orientierung im Raum ermöglicht.

Die Bedeutung der Faszien und des darin eingebetteten Körpersinns wird erkennbar, wenn wir sie in ihrer Ganzheit als System oder als Organ betrachten, das die bedeutende Rolle einnimmt, zu verbinden, eine dynamisch anpassungsfähige Ordnung aller Lebensabläufe herbeizuführen und uns zu befähigen, all das bewusst wahrzunehmen und mit zu gestalten.


Strukturelle Integration (Rolfing)

ist eine manuelle Behandlungsmethode, die Mitte des 20. Jahrhunderts von der amerikanischen Biochemikerin Ida Rolf, inspiriert durch Osteopathie und Yoga, entwickelt wurde.
Mit geprägt wurde die Methode durch Austausch und Zusammenarbeit mit Therapeuten wie Fritz Pearls, dem Begründer der Gestalttherapie, am Esalen Institute in Big Sur, Kalifornien.

Grundthema der Strukturellen Integration ist die Aufrichtung, die Orientierung an der Vertikalen - die Anpassung des Organismus an die Schwerkraft. Wenn das gelingt, stellt sich eine Erfahrung tänzerischer Leichtigkeit und gesteigerten Wohlbefindens ein.

Mein Lieblingsbild zur Aufrichtung ist der Baum. Verwurzelt in der Erde wächst er dem Licht am Himmel entgegen - gerade, wenn er nicht von Wind und Wetter gebeugt wird. Und selbst dann kehrt er immer wieder zurück zum direkten Weg nach oben.

Innerlich habe ich das während meiner Ausbildung so erlebt:
Meine Wirbelsäule ist wie durch eine senkrechte silberne Säule erleuchtet, und ich bewegte mich mit der Leichtigkeit einer Tänzerin. In diesem Zustand kann ich gleichzeitig in mir geschlossen und durchlässig sein, mit Bestimmtheit anwesend und grenzenlos.

Unser Körperbau ist angelegt für den aufrechten Gang. Doch wenn ich ein Kleinkind beobachte, wie es über Robben und Krabbeln schließlich aufsteht und noch etwas wackelig die ersten eigenen Schritte tut:  Aufrichtung ist ein Lernprozess, der sich fortsetzt bis ins Erwachsenenalter und darüber hinaus, je mehr sich der Bewegungsspielraum erweitert, je mehr ein Mensch sich seiner selbst bewusst wird. Und dabei kann einiges schiefgehen.

Mit der Behandlung der Faszienstrukturen werden Impulse gesetzt, um eine geordnete Struktur, Elastizität und Beweglichkeit und damit den Fluss der Kommunikation im elastischen Bindegewebe wieder herzustellen, die Versorgung und Funktion aller Körperorgane zu verbessern.
Dann können auch Überlastung, Spannung und Schmerz sich lösen, das Gewebe kann sich regenerieren.

Was mich fasziniert an der Methode der Strukturellen Integration

ist die Orientierung an der gegenwärtig wahrnehmbaren Realität ohne gedanklichen Überbau, der nur für Eingeweihte verständlich wird. Denn auch die Idee der Aufrichtung als Anpassung an die Schwerkraft wird durch Achtsamkeit für die Körperempfindungen der sinnlichen Erfahrung zugänglich als Gesetzmäßigkeit, der unser Organismus unterworfen ist.

Aus einer besonders ausgeprägten inneren Wahrnehmungsfähigkeit ist wohl auch das Übungssystem des Hatha-Yoga mit seinen heilsamen Wirkungen für Körper und Psyche entstanden. Im Gegensatz zu modernen physikotherapeutischen Techniken liegt hier besonderes Augenmerk auf der Achtsamkeit für die ausgeführte Bewegung und auf einem bestimmten Rhythmus von Aktivität und Entspannung, von Einatmen und Ausatmen.

Das führt unter anderem dazu, dass Bewegungen nicht herbeigeführt werden durch Willensanstrengung sondern eher von innen her sich entfalten können. Die Besinnung auf die Körperempfindungen hilft dabei, den Aufruhr der Gedanken und Gefühle zu besänftigen und so zu einer inneren Ruhe zu finden, während ich zugleich die Kraft und Beweglichkeit des Körpers trainiere.

Das kommt besonders den elastischen Strukturen des Fasziensystems entgegen, die so ihre tänzerisch - spielerische Leichtigkeit wiedergewinnen können.

Im Behandlungsverlauf der Strukturellen Integration werden in 10 aufeinanderfolgenden Sitzungen, von außen nach innen fortschreitend, wesentliche Faszienstrukturen des Organismus bearbeitet, immer in Zusammenhang mit der zentralen Linie durch Becken, Wirbelsäule und Nacken. So wird die Ordnung des Fasziensystems nach und nach auch für die Klientin erfahrbar und kann im Alltag entsprechend vertieft und weiterentwickelt werden.

Die erste Sitzung dient der Öffnung für mich selbst und der Befreiung des Atems.
Im Verlauf der ersten drei Sitzungen entwickelt sich ein Gefühl für die Vertikale und für die Ausdehnung im Raum. Blockaden werden bewusst erlebbar, während sie sich zu lösen beginnen. Ab der vierten Sitzung geht es um tiefere Strukturen und damit oft auch seelisch ums Eingemachte. Ab diesem Punkt bitte ich meine Klienten, sich auf den ganzen Prozess einzulassen.

Oft wird die Arbeit an den Faszien als schmerzhaft erlebt. In meiner Praxis arbeite ich an einer Schmerzgrenze, die dem Klienten noch ermöglicht, sich in den Schmerz hinein zu entspannen oder aktiv, von innen her, der Einwirkung des von den Händen ausgeübten Drucks Widerstand entgegen zu setzen.

Dies erleichtert nicht nur die Lösung von Blockaden, sondern verhindert auch, dass unwillkürlich eine Abwehrspannung entsteht, die nach der Behandlung weitere schmerzhafte Reaktionen hervorrufen kann. Ein Faszienkater, der durch die Aktivierung bisher blockierter Bewegungsbereiche entsteht, kann sich trotzdem einstellen.

Durch eine „ideologische Offenheit“ der Methode, die nur auf Annahmen beruht, die der eigenen Erfahrung zugänglich sind, wird es möglich, die Arbeit mit inneren Bildern oder systemische Arbeit mit einzubeziehen, um auch in der äußeren Lebenswirklichkeit den Freiraum entstehen zu lassen, in dem der befreite Organismus sich weiter entfalten kann.


Empfindungen, Emotionen, Gefühle

Woran merke ich, dass etwas nicht stimmt? Was veranlasst mich, nach Hilfe zu suchen?
Das sind körperliche Empfindungen: Verspannungen, Schmerzen, Kraftlosigkeit … und unangenehme Gefühle: Angstzustände, Lustlosigkeit oder Rastlosigkeit …

All diese Wahrnehmungen stammen aus dem internen Bewertungssystem des Organismus und sind im Körper verwurzelt. Sie zeigen mir an, dass meine innere Ordnung gestört ist. Wenn ich ihnen nachspüre, in Achtsamkeit und ohne rationale Bewertung oder Erklärung, können sie mich nicht nur warnen sondern mir auch den Weg zur Selbstheilung weisen. 

Solchen Zeichen folge ich in der manuellen Behandlung:
Wenn meine Hände eine verdichtete Stelle spüren, lade ich die Klientin ein, der eigenen Empfindung entgegen zu gehen, in der Vorstellung ihren Atem dorthin zu lenken und einfach zu beobachten, was dabei geschieht. Ob vielleicht eine Emotion oder ein Gefühl dabei auftaucht, eine Farbe oder eine Form. Dann beobachten wir gemeinsam, was sich verändert.
 

Körpergefühle stammen aus einer Welt, die der eines Kleinkindes ähnlich ist, das sich noch nicht mit Hilfe der Sprache ausdrücken kann. Die Welt, wie ich sie als Erwachsene erlebe, hat noch nicht Gestalt angenommen. Zugleich haben alle Ereignisse, die mich seit dieser Zeit geprägt haben, Spuren hinterlassen in meinem Körper.
Dieses Körpergedächtnis ist wie ein Schlüssel, der mir Zugang gewährt zu einer Ebene meines Daseins, die sich meiner gedanklichen Vorstellungswelt entzieht.
Oft genügt die achtsame Beobachtung, die blockierte Stelle befreit sich und kann sich durch einige Striche der Hände einfügen in den Fluss des Ganzen. Manchmal gelangen im Nachhinein bestimmte Erlebnisse ins Bewusstsein, die dann verarbeitet werden können.

Gefühle und Emotionen

Aus der neurobiologischen Forschung wissen wir, dass Emotionen sich vor allem im Körper abspielen, weitgehend automatisch ablaufen und vom Willen nicht beeinflussbar sind. 
Erkennbar sind sie über den Gesichtsausdruck, die Körperhaltung sowie über Veränderungen in Organen und im inneren Milieu, zum Beispiel Herzklopfen oder die Ausschüttung von Stresshormonen.

Eine bestimmte Emotion wird ausgelöst als Reaktion auf ein gegenwärtiges Ereignis, eine Erinnerung oder eine Phantasie. Das ist, als würde immer der selbe Knopf gedrückt, ganz gleich, ob ich etwas gerade wirklich erlebe, mich daran erinnere, mir ausdenke oder im Fernsehen sehe.

Steuern kann ich das nur, indem ich die Situation verändere: den Raum verlasse, wenn die Luft im Besprechungszimmer zu dicht wird, an etwas Anderes denke oder den Fernseher abdrehe. Eine weitere Möglichkeit ist, meine Aufmerksamkeit nach innen zu richten, auf den Atem, auf die Körperempfindungen und nur zu beobachten, ohne Bewertung oder Erklärung.

Dass ich dieses Geschehen überhaupt beeinflussen kann, liegt daran, dass in meinem Bewusstsein eine zusammengesetzte Wahrnehmung dessen erscheint, was in meinem Körper und in meinem Geist abläuft, während ich Emotionen habe. Das ist es, was ich als Gefühle erlebe.

Diese Wechselwirkung von Körper und Geist kann ich beobachten im Zusammenspiel von Gefühlen und Körperhaltung oder Mimik: In einer niedergeschlagenen Stimmung ist mein Rücken eher gebeugt, mein Körper in sich zusammengesackt, meine Mundwinkel sinken nach unten. Wenn ich verliebt bin, wird alles ganz leicht, so als würde ich schweben, und ein dümmlich verzücktes Lächeln liegt auf meinem Gesicht.

Bis zu einem gewissen Grad kann ich dieses Zusammenspiel nutzen, indem ich bewusst meinen Gesichtsausdruck und meine Körperhaltung verändere oder mich durch Gedanken in eine andere Stimmung bringe. So wird Callcenter-Mitarbeitern in Schulungen vermittelt, sie mögen ein freundliches Lächeln aufsetzen, das dann über die Stimme auch auf den Kunden am anderen Ende der Leitung angenehm und einladend wirkt.      
Im direkten persönlichen Kontakt wird das schon schwieriger, denn ein Gegenüber mit empathischen Fähigkeiten wird den Widerspruch zwischen Innen und Außen spüren. Dafür wurde das Pokerface erfunden, um weitgehend zu verhindern, dass Gedanken und Gefühlsregungen für den anderen überhaupt wahrnehmbar werden. Auch das ist für einen anderen Menschen erkennbar und wird ihn vorsichtig werden lassen. Ein vertrauensvolles Miteinander wird so nicht zustande kommen.

Jenseits dieser gesellschaftlichen Rollenspiele, und im Bewusstsein, dass Empfindungen und Gefühle nur aus mir selbst kommen und mir Einblick gewähren in den gegenwärtigen Zustand meiner inneren Welt, kann ich ihnen entgegengehen in Achtsamkeit und dabei herausfinden, woher sie kommen und wodurch sie ausgelöst wurden.


Bild: Duftbild Koriander